Es gab mal eine Zeit, da fand mein Leben im E-Mail-Postfach statt. Seither wohne ich hier. Liebesbriefe kamen schon länger keine mehr an und doch erwarte ich immer, wenn ich hier reinschaue (mindestens drei, vier, fünf – ach, wahrscheinlich zehn oder zwanzigmal täglich), dass zwischen all den Fragen, Bitten, Aufträgen, Korrekturen, Informationen und Rundbriefen etwas passiert. Etwas Magisches.
Nach Wochen im Schneckenhaus sitzt du plötzlich neben mir. Ein neuer Mensch! Wir tanzen die halbe Nacht im Dreivierteltakt durch den Spiegelsaal. Am Morgen begegnen wir uns lachend am Frühstücksbuffet. Während der Proben und des Konzerts suche ich deinen Blick – wenn sich nicht gerade die Beine der Dirigentin oder die Kleider der Solistinnen zwischen uns schieben. Nach dem Konzert finde ich dich nicht mehr. Dafür unsere Tanzflächen-Gouvernante Frank, die mir deinen Nachnamen verrät. Dann noch Joghurt dazu und schon bist du zu finden! Ich schreibe dir, drehe und wende die Sätze, prüfe den Rhythmus, Klang und Tanz der Wörter auf unverbindliche Leichtigkeit, und klicke auf das Papierflugzeug. Aufgeregt wie früher warte ich jetzt.
Wahrscheinlich ist das Warten selbst das Magische daran. Vielleicht sollte ich öfter mal ein verheißungsvoll glitzerndes Leuchten versenden. Verdi hat dich wahrlich verzaubert, das sah schön aus. Wollte ich dir sagen.