Christina Schmid
Konzeption und Gestaltung

Vielleicht interessant

Gestern am Fluss, da lag er und ich wollte, dass er mich sieht. Seit ich denken kann, will ich gesehen werden. Von Männern. Papa, Opa, die Jungs aus der Nachbarschaft, aus der Parallelklasse, aus dem Dorf, der Clique, im Delta, im Urlaub am Strand mit 13 in diesem Bikini mit Reißverschluss zwischen den noch nicht vorhandenen Brüsten. Ich öffnete ihn dennoch so weit wie möglich. Schaut mich an! Was seht ihr? Sehe ich mich erst durch euren Blick? Ein unscheinbares komisches Mädchen, vielleicht interessant. Was sie wohl denkt? Wie sie wohl nackt aussieht? Wie sie im Bett ist? Und wenn sie erst loslässt und aufblüht, dann wird sie groß und schön und berühmt mit ihrem schiefen Blick auf die Welt. Ganz genau beschreibt, seziert, durchbohrt sie die Menschen um sich herum. Projektionsfläche, ich und ihr. Warum interessiert mich der Blick der Männer? Derjenigen, die stark scheinen und schonungslos in ihrem Urteil. Sein Blick. Weil er schreibt? Weil ich schon immer eine Romanfigur sein wollte? Wenn sich mein Handeln durch seine Feder fügt, wenn meinen Weg nicht mehr ich bestimme, sondern sein Schreiben. Und warum nicht mein Schreiben? Ein Leben, erschrieben statt erlebt? Kann ich nur beschreiben, was ich auch erlebt habe? Als ob ich schon so viel erlebt hätte. Genug, um mich den Rest meines Lebens mit dem Bisherigen zu befassen. Am liebsten möchte ich doch Bücher lesen, in denen ich selbst vorkomme, wahrhaftig, mein Innerstes erfasst. Und warum sollte er das besser können als ich? Zumal noch ein Mann, irgendein schreibender Mann.