»… wie ich immer wieder auf dem Boden sitzen geblieben bin, den Kopf voller Träume über die Sterne, aber im Körper ein Scharlatanwissen, das besagte: zu weit weg, nicht zu erreichen, nicht für dich.«
»Es stimmt, dass so viel Schmerz aus den Strukturen stammt, dass sie es sind, die ihn erzeugen. Und es stimmt auch, dass ich mich teilweise in diesem und anderem Schmerz eingerichtet habe, dass ich ihn angenommen und zu meiner Sache gemacht habe. Nicht nur, dass ich mich vor allem über diesen Schmerz verstanden habe, sondern auch darüber verstanden werden wollte.«
»Nie würde ich sagen, dass mit einem liebevollen Verhältnis zu mir selbst alle Probleme gelöst würden. Diese einseitige Geschichte von Selbstliebe ist auch nur ein weiterer Scam unserer verrohten Strukturen, weil es bei Liebe natürlich auch um Responsivität und Resonanz geht, um Berührung im weitesten und offensten Sinne, um Zusammenleben. In einer liebesarmen Gesellschaft, in der unser Miteinander von Wettbewerb, von Vereinzelung und Verelendung, von Überlebenskampf definiert wird, sind die Rufe nach Selbstliebe viel zu oft nichts anderes als die Rufe nach Verpanzerung. Ein Onewayticket in die Abschottung, wo eigentlich tentakuläres Agieren, notwendig wäre. Aber auch ein Tintenfisch muss mal seine Noppen putzen und es ist wichtig für mich, mich daran zu erinnern, dass es einen Spielraum gibt.«
»… eine der unverwandten Mütter meines Herzens. Ich will mich zwischen ihren Füßen niederlassen mit meiner ganzen lädierten Erbärmlichkeit, meiner schmallippigen Ernsthaftigkeit, bodenlosen Witzlosigkeit. Ich möchte meine Frigidität hier ausbreiten, meine Sprachlosigkeit mitbringen, meine Seltsamkeit, mein übersprudelndes Sprechen, meine überbordende Freude, mein überdrehtes Lachen. Lass mich meine Hysterie niederlegen, und meine unstillbare Lust, meine brennende Scham, meinen schweren Kopf, die leichten Gedanken, die süßen, die bitteren. Das Gesagte, das für immer Verschwiegene, alle Geheimnisse, die ich niemals aufdecken werde, niemals aufdecken will, weil nicht in jedem Aussprechen eine Katharsis steckt, weil manches verborgen bleiben darf.«
»Ich weiß, welche Sehnsucht dieses Bild in mir anspielt: die Sehnsucht nach einer ungebrochenen Mutter. Ich werde dieser Gesellschaft nie ihre traurigen Mütter verzeihen, diesen anhaltenden Schmerz, der Weiblichkeit bedeutet, und der immer deutlich spürbar war, in den Bewegungen, dem Welt- und Selbstverständnis, den Gesten und Worten meiner Vorfahrinnen.«
Lisa Krusche: Anrufung der Riesin