Christina Schmid
Anfänge und Enden

Verscheucht

An meinem Bett sitzt eine alte Frau mit langem grauen Haar, ich erschrecke, sie lacht. Ihre Kleider sind orange und so schmutzig, dass ich die Farbe nur erahne. Ich verscheuche sie, gsch, wie eine Katze, wedle sie weg. Sie lacht noch lauter und bleibt sitzen. Ich schreie. Mein Herz pocht so laut, dass ich erwache. Ich stehe auf und trete ans Fenster. Da liegt die Frau auf der morgennassen Wiese, dürftig zugedeckt mit unserer orangenen Decke. Der Garten ist viel größer als sonst, weitläufig und gepflegt wie ein Park – und überall sind Leute. Ich trete auf die Veranda, ein Stapel weißer Wäsche auf Beinen läuft in mich hinein und fällt zu Boden, frisch gebügelt, oh nein! Darunter kommt ein Mädchen mit weißer Schürze zum Vorschein, eine Bedienstete? Fast noch ein Kind. Sie schaut mich ängstlich an, ich berühre sie am Arm. Um ihren Hals trägt sie eine Kette mit einem weißen Herz aus Gips, es pocht bei meiner Berührung. Ein Mann unterbricht uns, er redet auf mich ein, nichts davon verstehe ich. Er trägt auch so eine Kette, mit Sternen, sie zerspringen unter meinem Blick, die Scherben liegen in meiner Hand – mir wird ein Teller gereicht, um sie zu entsorgen. Von unten aus dem Garten ruft der Doktor nach mir, er ergreift meine Hand und küsst sie, ich schüttle ihn ab. Was machen all die Leute hier? Ich will schlafen! Eine ganze Dienerschar ist mit mir beschäftigt – ich hatte ja keine Ahnung, wie privilegiert ich bin. Alle starren mich an. Heulend schreite ich zu der alten Frau und decke sie besser zu. Um mich dann auch wieder ins Bett zu legen. Bis der kleine Amor mich weckt und einigermaßen geduldig wartet, bis dieser Traum notiert ist.