Christina Schmid
Konzeption und Gestaltung

Beim Fingernägelschneiden denke ich an Chris. Daran, wie er mir, die ich mich abmühte mir mit der linken Hand die Nägel der rechten Hand zu kürzen, die Schere aus der Hand nahm, mich auf seinen Schoß setzte und fachgemäß alles abschnitt, was für ekelhafte Kratzgeräusche in der Nacht verantwortlich war. Das milbenverseuchte Ausklappsofa im ewig dämmrigen Dachzimmer mit muffigem Teppich und verblichenen Kunstdrucken auf der mittelbraunen Holzvertäfelung. Die klapprige Küche mit Mini-Wintergarten-Balkon – im Sommer unerträglich heiß, im Winter bitterkalt. Der Kühlschrank leer, also bestellten wir Pizza oder Indisch zum Film. Ein Film nach dem anderen, Serien in unermesslicher Auswahl flimmerten über den farbfalschen Riesenflachbildmonitor. Betrunkene Nächte, getanzt haben wir gern. Beim Tanzen denke ich auch an ihn. Weil ich wohl so tanze wie er, aber nicht so gut. Ich, ein egoistisches Miststück von 20 Jahren. Mir, nie verziehen, lebenslänglich. Wären da keine gemeinsamen Freunde, die sich selbst nach Jahren der Funkstille und geglätteten Wogen noch überlegen, wen von uns sie zu ihrer Abschiedsparty einladen – es würde nicht stören. Aber so werde ich mitten im Spätsommertag von indirektem Langzeithass heimgesucht und fange plötzlich an, die Fragmente der Erinnerung an uns zusammenzuklauben. Unsere E-Mails sind der Schlüssel zur damaligen Faszination …